„In Berlin hat man die Milchstraße zum letzten Mal im Zweiten Weltkrieg gesehen“

2022-08-12 17:37:23 By : Admin

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Berlin spart derzeit an der Beleuchtung. Planetariumsdirektor Tim Florian Horn möchte das zum Anlass nehmen, Berlin zu einer Lichtschutz-Stadt zu entwickeln.

Interview: Susanne Lenz , 8.8.2022 - 12:35 Uhr

Damit die Berliner Wahrzeichen auch bei Dunkelheit strahlen, sind jährlich etwa 200.000 Kilowattstunden Strom nötig. Im Kampf gegen den drohenden Energienotstand macht das Land an Sehenswürdigkeiten und öffentlichen Gebäuden das Licht aus. Aus der Not könnte man eine Tugend machen, sagt Tim Florian Horn, der Gründungsvorstand der Stiftung Planetarium Berlin, der zugleich Direktor des Zeiss-Großplanetariums und der Archenhold-Sternwarte ist. Man sollte jetzt darüber nachdenken, wie Berlin künftig „Lichtschmutz“ vermeiden kann. Das käme Tieren, Pflanzen und Menschen zugute – und dem Sternenhimmel.

Berliner Zeitung: An 200 Gebäuden in Berlin ist die nächtliche Beleuchtung ausgeschaltet worden. Freut das den Astronomen?

Tim Florian Horn: Ja. Denn viele dieser Beleuchtungen sind nicht so optimiert, dass sie nur das Gebäude beleuchten, sondern sie strahlen in den Himmel. Das trifft beispielsweise auf das Rote Rathaus zu. Die Beleuchtung abzuschalten, ist aber nicht nur für die Astronominnen und Astronomen gut, sondern auch für die Pflanzen- und Tierwelt, die einen natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus braucht. Auch Menschen schlafen durch das viele Licht in der Stadt anders, und sogar der Hormonhaushalt wird davon beeinflusst. In Berlin gibt es viel Lichtschmutz. Man kann die Stadt deshalb auch aus dem All sehr schön sehen. Sogar die Ost-West-Teilung kann man aufgrund der unterschiedlichen Glühbirnen in den Straßenlaternen noch erkennen.

Der Westen leuchtet heller und bläulicher, der Osten in einem eher warmen Licht. Allmählich werden jetzt aber die Straßenlaternen aus Energiespargründen mit LEDs ausgestattet.

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Das ist doch gut, oder?

Das Licht der LEDs ist meist eher in einem blauen Farbspektrum und für Pflanzen und Tiere schädlicher. Es gibt aber auch LEDs mit wärmerem Licht, die von in Berlin ansässigen Firmen produziert werden und die für die Natur verträglicher sind.

Was fasziniert die Menschen so am Himmel?

Das Interesse am Sternenhimmel ist tief verankert. Es ist schon fast eine religiöse Erfahrung, zu einem schönen Sternenhimmel hinaufzusehen. In der Menschheitsgeschichte hat die Beschäftigung mit den Sternen, mit dem Lauf der Planeten, immer dazu geführt, dass wir große Fragen gestellt haben: Wie ist die Erde entstanden, wie das Universum? Woher kommen wir? Was ist unsere Aufgabe, sind wir allein?

Dieses Erlebnis, unter einem leuchtenden Sternenhimmel zu stehen, ist in Berlin ja nur ganz reduziert möglich. Wird das durch das Abschalten der Gebäudebeleuchtung wirklich besser?

Wir werden messen, ob sich die Qualität des Himmels merklich verbessert. Es könnte tatsächlich so sein, denn gerade bei den öffentlichen Gebäuden sind es oft Strahler, die die ganze Nacht an sind und hoch in den Himmel leuchten. Man könnte sich jetzt aber darüber verständigen, dass es nicht nur darum geht, Strom und Geld zu sparen, sondern etwa auch um Klimaschutz. Und man könnte aus diesem Anlass eine Initiative zur Rettung der Nacht in Berlin starten.

Tim Florian Horn ist als Gründungsvorstand der Stiftung Planetarium Berlin zugleich Direktor des Zeiss-Großplanetariums und der Archenhold-Sternwarte. Nach seinem Studium der Multimedia Production und Astronomie war er an den Planetarien in Kiel, Hamburg und an der California Academy of Sciences in San Francisco (USA) tätig, wo er als Produzent neben Planetariumsprogrammen auch Ausstellungen, Lernmodule und Kurse entwickelt hat.

Gibt es so etwas in anderen Städten?

Fulda hat als erste Stadt in Deutschland ein Lichtschutzkonzept entwickelt. Warum sollen wir nicht zusammen mit der Umweltverwaltung überlegen, wie wir aus Berlin eine Lichtschutzstadt machen können und damit aus der Not eine Tugend machen.

Berlin ist aber nicht Fulda. Fulda hat wahrscheinlich eher kein Nachtleben. Gehört es nicht auch zum Wesen der Großstadt, die Nacht zum Tag zu machen?

Das muss sich ja nicht ausschließen. Mir geht es darum, wie man auch in einer Großstadt eine Beleuchtung hinbekommen kann, die nicht krank macht. Denn wir leben ja nicht allein Berlin, sondern zusammen mit Tieren, mit Pflanzen. Es ist eine Co-Existenz. Ich will nicht die nächtliche Beleuchtung am RAW-Gelände ausschalten, aber warum brauchen wir an jeder Stadtautobahn morgens um zwei volle Beleuchtung?

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Was könnte Berlin mit einem solchen Lichtschutzkonzept denn erreichen?

Es wird nicht so sein, dass wir plötzlich wieder die Milchstraße sehen können. Das kann man in Westeuropa nur noch an ganz wenigen Orten. Einer davon ist gar nicht weit entfernt von Berlin, es ist der Sternenpark Westhavelland, eine Naturparkregion, die sich für den Schutz der Dunkelheit einsetzt. In Berlin kann man nachts nur noch ein, zwei Dutzend Sterne sehen. Vom Kleinen Wagen kann man zum Beispiel nur noch den Polarstern erkennen. Eigentlich wären es 3500 Sterne. Vielleicht werden es mit einem Lichtschutzkonzept wirklich wieder ein paar mehr sein. Schon 1913 ist übrigens die damalige Berliner Sternwarte von Kreuzberg nach Babelsberg gezogen, weil es in Berlin zu hell geworden ist.

Wo war denn diese Sternwarte?

Gegenüber dem heutigen Jüdischen Museum. 1846 ist dort der Planet Neptun entdeckt worden.

Wissen Sie, wann man in Berlin zum letzten Mal die Milchstraße gesehen hat?

Ich fürchte, das war während des Zweiten Weltkriegs, aufgrund der Verdunkelungsmaßnahmen.

Es waren ja vor der Stromsparinitiative auch die Planetarien angestrahlt, etwa das Zeiss-Großplanetarium in Prenzlauer Berg. Haben Sie denn eine besondere Form der Beleuchtung gefunden, die nicht so schädlich ist?

Wir haben nicht die ganze Nacht beleuchtet, sondern die Beleuchtung eine halbe Stunde nach der letzten Veranstaltung ausgeschaltet. Außerdem haben wir auf die Natur abgestimmte LEDs benutzt. Gerade sind wir dabei, die gesamte Beleuchtung im Ernst-Thälmann-Park um das Planetarium herum neu zu planen. Wir möchten ihn zu einem Lichtschutzpark entwickeln.

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Heißt das, dass es dann im Thälmann-Park nachts stockdunkel ist?

Nein, es wird dort eine umweltfreundliche Beleuchtung geben. Aber Sie haben bestimmt wegen des Sicherheitsaspekts gefragt. Was das angeht: Es gibt eine Studie aus den USA, die herausgefunden hat, dass beleuchtete Gebäude nicht sicherer vor Einbrechern sind. Hier wird sogar öfter eingebrochen, denn auch der Räuber arbeitet gern im Licht. Es ist auch nicht nachweisbar, dass Straßenbeleuchtung mehr Sicherheit bietet. Beleuchtung hat noch einen anderen Aspekt. Es geht dem Menschen immer auch darum, sich als Herrscher über die Natur zu fühlen. Menschen machen das Licht an, weil sie damit der Natur trotzen, sich von dem durch sie vorgegebenen Rhythmus befreien können. Mit Licht definieren wir, wo Kultur, wo Zivilisation ist.

Berlin beleuchtet seine Bauwerke ja nicht nur für seine Bewohner, sondern auch für die Touristen, Unter den Linden zum Beispiel. Berlin möchte sich zeigen, auch nachts.

Vielleicht gibt es da ja einen Kompromiss. Beim Festival of Lights feiern wir einmal im Jahr mit Licht Architektur. Aber wir müssen das doch nicht jeden Tag von ein Uhr früh bis Sonnenaufgang machen.

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